SEVEN GIANTS - LEGEND GOES EXTREME

SEVEN GIANTS - LEGEND GOES EXTREME

Auf Expedition zu einem mystischen Ort im Ural-Gebirge

VON ANJA FAHS

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 4 2014)

Schemenhaft tauchen auf der tief verschneiten, kahlen Bergkuppe plötzlich riesige Felstürme aus dem eisigen Nebel auf. Sieben steinerne Megalithen, vollständig in scharfkantiges Eis gehüllt, reihen sich kreisförmig auf, nur einer der Türme steht etwas außerhalb. Der Wind peitscht unaufhörlich über das einsame Bergplateau und wirbelt zwischen den Felsnadeln Schnee und Eis empor. Dies ist der mystische Ort Man-Pupu-Nyor, oder „Kleiner Berg der Götter“ – eine unwirkliche, abgelegene Gegend im nördlichen Ural-Gebirge. Dort ragen die 30 bis 42 Meter hohen Felstürme in den Himmel und niemand weiß, woher sie stammen oder wie sie entstanden. 

Genau solch ungewöhnliche Orte machen den legendären Extrem-Kletterer Stefan Glowacz neugierig. Er entschloss sich zu einem Abenteuer-Trip, um die sogenannten „Seven Giants“ zu erklettern. 

Stefan Glowacz ist einer der erfolgreichsten Profi-Bergsteiger, Extrem-Kletterer und Abenteurer unserer Zeit. Schon als Kind kletterte er auf jeden Felsen, mit 15 Jahren begann seine Kletterkarriere und er schaffte es schnell in die Welt-
spitze des alpinen Extremsports. 1993 beendete er nach einem Vizeweltmeistertitel bei der Kletterweltmeisterschaft die aktive Wettkampfkarriere und lässt sich seitdem von den entlegensten Steilwänden, Gipfeln und Höhlen unserer Erde zum natürlichen Felsklettern verführen. Dabei ist das Hinkommen ebenso wichtig für ihn wie das Hinaufkommen. Per Jeep durch die namibische Halbwüste, auf Skiern über die Eisfelder Patagoniens oder im Kanu durch den venezolanischen Dschungel – es geht nicht mehr allein darum, wie schwierig die Routen sind, sondern wo sie sind. Nämlich dort, wo Lebenserfahrung, Ausdauer und Übersicht mindestens ebenso wichtig sind wie Schnellkraft und jugendlicher Elan.

Kein Wunder, dass Stefan Glowacz sofort fasziniert war, als er das erste Mal von den „Seven Giants“ im russischen Ural hörte. Die Legende sagt, dass die sieben Säulen einst Riesenbrüder waren, die das Steinvolk regierten. Eines Tages besuchte ein Mensch, Man-Pupu-Nyor, das Steinvolk und verliebte sich in die Schwester der Steinbrüder. Gemeinsam flohen sie, verfolgt von den Steinbrüdern, die den Geliebten ihrer Schwester schlussendlich töteten. Die untröstliche Schwester rief die Götter um Rache an und diese ließen ihre sieben Riesenbrüder erstarren. Noch heute stehen sie als die „Seven Giants“ auf dem einsamen Gipfel im Ural. 

Das Team machte sich mit der gesamten Ausrüstung im Zug von Moskau zur Stadt Ivdel auf. Die Fahrt dauerte ungefähr 35 Stunden. „Natürlich hätte man auch mit einem Helikopter fliegen können“, sagt Stefan Glowacz, „aber das würde meine Idee über das, was ich erreichen möchte, kaputtmachen. Ich verzichte auf technische Hilfsmittel, ich möchte aus eigener Kraft eine Expedition durchziehen. Das macht einfach viel mehr Spaß.“ Also hielten er, sein Partner Uli Theinert, der Fotograf Klaus Fengler sowie Kameramann Hans Martin Götz den technischen Aufwand auf dem Weg zu den Seven Giants so gering wie möglich.

Die nächste Etappe der Reise endete im Dorf Burmatovo. Hier begann der lange Weg zum Hochplateau. Die gesamte Kletter-, Snowkite- und Biwak-
ausrüstung sowie die Verpflegung für die fast dreiwöchige Reise zog das Team mit Hilfe von Schlitten. Auch Skidoos, das alltägliche Fortbewegungsmittel der Einheimischen, konnten sie in der Wildnis benutzen. Wann immer die Windverhältnisse es zuließen, ließen sie sich von Snowkites ziehen. Trotzdem war der Weg beschwerlich. „Die Reise war aufgrund der Temperaturen von -45 Grad und sehr starkem Wind eine krasse Herausforderung. Dazu kam das wenige Tageslicht von lediglich vier bis fünf Stunden am Tag“, erzählt Glowacz. 

Die Expedition brauchte fast sieben Tage, um auf das Bergplateau zu gelangen. „Die Seven Giants dann zu sehen, wie sie sich vor dir aufbauen, war ein besonderes Erlebnis“, beschreibt Stefan Glowacz den ersten Anblick seines Zieles. Hier warteten nun die Riesen aus Fels, die zu dieser Jahreszeit mit Schnee und Eis bedeckt waren. Das Erklettern des „Älteren Bruders“, des größten Kolosses der Seven Giants, war nur mit Eisgeräten und Steigeisen möglich und dauerte zwei Tage. Aber dann stand Stefan Glowacz endlich auf dem Gipfel und schaute weit über diese einzigartige Gegend, die in Europa kaum bekannt ist. „Man-Pupu-Nyor ist ein unglaublicher Ort und es ist großartig, dass ich ihn besuchen und die atemberaubende Natur dort erleben konnte“, beschreibt Glowacz seine Expedition. Und auch diesmal war der einfache Weg nicht sein Ding – Stefan Glowacz fasziniert vielmehr die Fähigkeit, das Ungewöhnliche zu meistern.

glowacz.de

Picture credits © Stefan Głowacz


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