HISTORISCHE TRANSFORMATION

HISTORISCHE TRANSFORMATION

Das Temple Hotel in Peking

VON ANJA FAHS

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 2 2014)

Im Herzen Pekings, jedoch gut versteckt im historischen Teil der Altstadt, liegt das Temple Hotel. Ein Heiligtum der Ruhe, geschützt vor Menschenmassen und dem Lärm der City. Dieser Ort ist ein gut gehütetes Geheimnis für den modernen Reisenden, der in die einmalige Atmosphäre des historischen China eintauchen will, jedoch ohne auf die Annehmlichkeiten eines modernen Luxushotels zu verzichten. Jahre der sorgfältigen Renovierung machten aus dem jahrhundertealten Tempel ein einzigartiges Kleinod, das die Zeit des großen Kangxi-Kaiserreichs wieder lebendig werden lässt.

Im ehemaligen Dormitorium der Mönche befinden sich jetzt die acht Zimmer des Hotels, ausgestattet mit antiken Möbeln der Ming-Dynastie. Die Nebengebäude, Gärten und die Halle sind perfekt für Events in einem außergewöhnlichen Rahmen, und das Restaurant TRB gilt als eine der besten Fine-Dining-Adressen Pekings. Ein hochmoderner Spa-Bereich wurde eingerichtet, der mit seiner strengen Linienführung die Architektur des ehemaligen Klosters widerspiegelt. Zudem ist das Hotel heute ein Zentrum der Kunst, in seiner Galerie werden regelmäßig Ausstellungen internationaler Künstler gezeigt. Jüngst wurde im Temple Hotel Chinas erste und einzige permanente Licht-Installation des bekannten Künstlers James Turrell errichtet – „Gathered Sky“ ist inzwischen ein begehrtes Ziel für internationale Kunstinteressenten.

 Die Entdeckung des alten Tempels erfolgte praktisch durch Zufall. Nur der kleine Zipfel eines Dachs, das aussah wie ein alter Stupa, war nach Jahrhunderten immer noch am Ende einer kleinen, windigen Gasse zu entdecken. Sie lag direkt neben einigen alten Gerichts- und Regierungsgebäuden. Beim genaueren Betrachten entpuppte sich der Stupa jedoch als das Dach eines runden, längst vergessenen Tempels, der inzwischen von Gemüseverkaufsständen, einer qualmenden Fabrik und einem namenlosen Motel umgeben war. Damit war das Interesse von drei neugierigen Unternehmern geweckt: Juan van Wassenhove, Li Chow und Lin Fan forschten in den Archiven und fanden bald heraus, dass der Tempel Zhizhusi genannt wurde, was soviel bedeutet wie der „Tempel der Weisheit“. Und sie erfuhren, dass ohne baldige Einreichung eines Restaurations-Antrags bei der Regierung der Abriss des Tempels drohte.  

Die Geschichte des Tempels und seiner Umgebung umspannt bereits über 600 Jahre. In diesem Teil Pekings, zwischen den nordöstlichen Mauern der Verbotenen Stadt und dem Jingshan, lagen zunächst die kaiserlichen Druck-Werkstätten, die buddhistische Sutras und heilige Texte für die kaiserlichen Religionslehrer fertigten. Zwischen 1711 und 1756 ließen der große Kaiser Kangxi und sein Sohn Qianlong, beide Anhänger des tibetanischen Buddhismus, zahlreiche buddhistische Tempel in China bauen. In Peking wurden in Ost-West-Richtung drei bedeutende Tempel genau auf dem Gebiet der alten kaiserlichen Druckereien errichtet: Songzhusi, Fayuansi und Zhizhusi.

Seitdem residierten in diesem Komplex die wichtigsten religiösen Führer der Kaiserreiche, die „Lebenden Buddhas“, und hier wurden regelmäßig religiöse Zeremonien abgehalten. Bei Ausrufung der Volksrepublik China 1949 wohnte hier noch der sechste Lebende Buddha.

Nach 1949, im Zuge der vielen sozio-demographischen Veränderungen Chinas, wurden die meisten der 3.000 Tempel in Peking für zivile Zwecke genutzt und verschwanden nach und nach durch Modernisierung oder Abriss. Auch Zhizhusi wurde unter anderem als Mosaik- und Gold-Lackier-Fabrik genutzt, war eine Fahrrad-Fabrik, ein Werk für medizinische Geräte und in den späten siebziger Jahren eine Fabrik für die Herstellung von TV-Geräten, die in die Front- und Westhalle des Tempels einzog. 

Als die Gründer des Temple Hotel 2007 mit der Renovierung von Zhizhusi und den umliegenden Gebäuden begannen, hatten sie nur ein Mantra im Kopf: Alle Aspekte der Geschichte zu erhalten und zu bewahren! Dafür wurden spezialisierte Architekten, erfahrene Konstruktionsfirmen und Restauratoren der lokalen Denkmalschutzbehörden beauftragt. 

Behutsam und mit viel Geduld entfernten sie Schritt für Schritt den Bauschutt, legten Säulen wieder frei, restaurierten Balken für Balken sowie jeden einzelnen noch vorhandenen Dachziegel. 200 Lastwagenladungen Schutt wurden abtransportiert, 71 alte Holzsäulen ersetzt, 1.400 Quadratmeter Dach neu gebaut und 43.000 Dachschindeln aufgearbeitet. Das Projekt dauerte einige Jahre, aber es hat sich gelohnt. Im Jahr 2012 erhielt das Temple Hotel im Rahmen der UNESCO Asia-Pacific Awards for Cultural Heritage Conservation den „Award of Merit“ verliehen und wurde als bestes Beispiel für den Erhalt von Kulturerbe im asiatischen Raum ausgezeichnet. 

Heute ist das Temple Hotel nicht nur luxuriöses Hotel, sondern auch ein Kultur-Veranstaltungsort, dessen Türen jedem offen stehen, der sich für historische Architektur und moderne Kunst begeistert. 

thetemplehotel.com

Picture credits © Ben McMillan


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