FUTUREFOOD

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So is(s)t Deutschland 2030

VON SANDY STRASSER

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 3 2014)

Wohin entwickelt sich unsere Ernährungsweise in den nächsten Jahrzehnten? Welche Trends beeinflussen den Wandel hinsichtlich des schier unerschöpflichen Angebots an Nahrungsmitteln? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich das Zukunftsforum des Lebensmittelkonzerns Nestlé. Unter dem Motto „Ernährung ist ein Spiegel der Gesellschaft“ wagen hochkarätige Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Handel, Social Media sowie Trend- und Nachhaltigkeitsforschung einen Blick in die Zukunft.

Wir erleben derzeit einen rasanten Umbruch, der so gut wie alle Bereiche unseres täglichen Lebens tiefgreifend verändert. Auch unsere Ernährungskultur. Steigende Mobilität, digitaler Alltag, flexible Arbeitswelt und ein wachsendes Bewusstsein für unsere Gesundheit sind die miteinander vernetzten Haupttreiber dieser neuen Welt. Nestlé hat daher bereits 2010 das Zukunftsforum ins Leben gerufen. Ein Gremium bestehend aus Experten unterschiedlicher Branchen, die die Verhaltensmuster unserer heutigen Gesellschaft in Bezug auf Ernährung beleuchten und analysieren. Im Ausschuss vertreten sind unter anderem der Deutschland-Chef von Twitter, Thomas de Buhr, Trendexpertin Birgit Gebhardt, Utopia-Geschäftsführerin Meike Gebhard sowie Frank Rehme, Geschäftsführer der gmvteam GmbH. Ihr gemeinsames Ziel: Impulse für eine neue Ernährungskultur schaffen und Verbrauchern dahingehend einen Blick in die Zukunft ermöglichen. Die Ergebnisse des Zukunftsforums sind Inhalt der Langzeitstudie „So is(s)t Deutschland 2030“, die im Oktober der Öffentlichkeit präsentiert wird. 

Unter Berücksichtigung von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Verbrauchern brachte das Gremium im Vorfeld die sogenannten „young shapers“ sowie Funktionsträger verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zusammen, um eine neue Sicht auf die Zukunft der Ernährung zu erhalten. Dazu wurden regelmäßig Debatten zwischen hochrangigen Akteuren aus Politik, Lebensmittelindustrie, Verbänden, Wissenschaft und Medien zu wechselnden Themen initiiert. Weiter wurden in interdisziplinären Workshops die Trends aus den Bereichen Gesundheit und Medizin, Nachhaltigkeit, Kommunikation, Technologie, Mobilität und Architektur aufgriffen und weitreichende Informationen darüber gesammelt, welche Menschen welchen Ernährungsstil leben. Diese hat man anschließend aus der Sicht der Konsumenten betrachtet, weiter entwickelt und visualisiert. Als letzter Schritt wurden repräsentative Verbraucherumfragen unter die Lupe genommen, die bis dato Aufschluss über Affinitäten und Haltungen der Verbraucher hinsichtlich Lebensweise und Gewohnheiten gaben. Dank der Prognosen renommierter Experten wissen wir nun ziemlich genau, wie sich dieses Thema in den kommenden Jahren weiter entwickeln wird. Die Experten sind sich einig: Personalisierte Ernährung wird künftig Standard unseres täglichen Speiseplans. Konkret bedeutet das, dass dem Körper exakt die Nahrung zugeführt wird, die ihm gut tut. Unser Erbmaterial wird künftig darauf getrimmt sein zu lernen, was positiven Einfluss auf unseren Körper und seine Organe hat und was nicht. So werden wir angeblich bald schon in der Lage sein, gute Gene ein- und schlechte einfach ausschalten zu können. Ein höchstpersönliches Ökosystem wäre das Resultat – die Grenzen zwischen Ernährung, Diagnostik und Pharma würden sich zunehmend auflösen. „Die Verbraucher können sich dann entsprechend ihrer Gesundheitsprofile behandeln lassen. Ärzte werden sich stärker vernetzt mit Ernährungsberatern und Sportcoaches der individuellen Gesundheit annehmen“, sagt Martin Kussmann, Professor für Molekularbiologie am Nestlé Institute of Health Science in Lausanne.

Personalisierbare Gesundheit gewinnt aber nicht nur angesichts eines sich in der Gesellschaft stark wandelnden Bewusstseins immer mehr an Bedeutung. Auch die Tatsache, dass wir künftig signifikant mehr Jahre mit Arbeiten verbringen und damit länger belastbar bleiben müssen, spielt eine wesentliche Rolle. Gesundheit und Genuss verbinden sich dabei in neuen Ernährungsformen. „Medical Food“ wird dieser neue Trend zwischen Supermarkt- und Apothekenregal genannt. Dieser trifft auf einen bestens informierten, mobilen und technologisch multioptionalen, vernetzen Verbraucher. Dass dieser Trend seinen unaufhaltsamen Siegeszug antreten wird, da sind sich die Experten sicher. Denn die Menschen nehmen sich immer weniger Zeit zum ausgewogenen Kochen. Und wenn sie es tun, wird es zum zelebrierten Event mit Familie und Freunden. Weil die Küche damit als soziale Verpflegungsstation im Alltag an Bedeutung verliert, gewinnen zudem neue Wohnentwürfe an Attraktivität. Neue „Smart Cooking“-Services unterstützen das ressourcenschonende Konsumieren, indem sie die Zutaten zur gewünschten Mahlzeit gleich passend portioniert mit dem Rezept liefern. Doch wie geht der Handel mit dieser Verhaltensveränderung um? „Er muss sich die Informationshoheit am Point of Sale erkämpfen und zu seinen Produkten den entsprechenden Kontext liefern“, sagt Frank Rehme, CEO bei den Handelsexperten der gmvteam GmbH aus Düsseldorf und einstiger Innovationsmanager der Metro Future Stores. „Denn die Rolle des E-Commerce wächst unaufhaltsam weiter. Der zielgruppenspezifische Vertrieb bis zur Haustüre ist in ein paar Jahren Realität.“ Hinzu komme außerdem der „Smart Kitchen“-Gedanke. Etwa, wenn innerhalb einer Wohnanlage eine von allen nutzbare Hightech-Küche zum sozialen Treffpunkt avanciert. Das klassische Kochbuch wird dabei von modernen Tablet-Computern ersetzt. „Ein Drittel aller Haushalte hat heute bereits einen tragbaren Mini-Computer. Vor vier Jahren gab es dort noch keinen“, so Thomas de Buhr, ehemaliger Google-Manager und heutiger Deutschland-Geschäftsführer des Nachrichtendienstes Twitter. „Die technologische Entwicklung nimmt sogar noch ein höheres Tempo auf. Der Alltag wird nie wieder so langsam wie jetzt sein.“ De Buhr ist überzeugt, dass Technologie verschiedenstes Wissen in intelligenten Systemen kombinieren wird, von denen der Verbraucher profitiert. Das könne in smarten Services gipfeln, wie einer Supermarkt-App, die unser persönliches Essprofil enthält. „Der Einfluss von Technologie auf die Ernährung wird zu einer Art neuer Währung“, fügt er hinzu.

Dabei wird uns ein weiterer Faktor massiv beeinflussen: Zeit. Nach Meinung von Trendforscher Peter Wippermann ist das der Haupttreiber im Spannungsfeld zwischen Gesundheit, Arbeitswelt, Mobilität und sozialem Leben. „Diejenigen, die zeitoptimiert leben wollen, geben Geld aus. Die, die kein Geld haben, müssen mit Zeit bezahlen.“ Wir essen nicht mehr zu festen Zeiten, wie wir es aus Kindertagen kennen, sondern zu ganz unterschiedlichen Uhrzeiten, um die Anforderungen des vernetzten und dezentralisierten Arbeitens besser bewältigen zu können. „Snacking“ lautet hier das Stichwort. So wird die Generation 2030 nach Strukturen leben, die alles andere als traditionell sind. Der Wandel ist unaufhaltsam. Wer hätte beispielsweise noch vor 15 Jahren gedacht, dass das Internet unseren Alltag so radikal verändern würde? Und genau diese Vernetzung in den unterschiedlichen Lebensbereichen wird in den kommen Jahrzehnten zu weiteren Quantensprüngen führen, die wir heute nur erahnen können. Da sind sich die Experten sicher.

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Picture credits © Volker Möhrke/Corbis


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