ESSEN IM FLUGZEUG

ESSEN IM FLUGZEUG

Feinschmecker-Abenteuer
über den Wolken?

VON ANJA FAHS

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 3 2014)

Verkochte Nudeln, zerfallenes Gemüse und ausgetrocknetes Fleisch – das sind leider oft die wenig ansprechenden kulinarischen Freuden, wenn im Flugzeug das Essen serviert wird. Und das, obwohl viele Airlines wissen, wie wichtig den Passagieren die Mahlzeiten an Bord sind, denn gerade auf Langstreckenflügen sind sie eine der wenigen Abwechslungen. 

Oft erinnern sich die Gäste nach einem Flug nicht mehr an Turbulenzen oder Verspätungen. Aber noch genau daran, dass sie sich beispielsweise nach einem längeren Geschäftsaufenthalt in Asien mit vielen Reis-Mahlzeiten auf Bratkartoffeln gefreut hatten, diese im Flieger dann aber überhaupt nicht schmeckten. Unzufriedenheit mit dem Essen kann sogar dazu führen, dass Passagiere beim nächsten Flug eine andere Gesellschaft wählen. Aber warum schmeckt Essen in der Luft anders als am Boden? Das Phänomen des im Flieger allgegenwärtigen Tomatensaftes kennt inzwischen jeder. Im Flugzeug wird er in unglaublichen Mengen von den Gästen konsumiert, am Boden schmeckt er dagegen muffig und wird kaum getrunken. 

Mario Lohninger, vom Gourmetführer Gault-Millau 2011 zum Koch des Jahres gekürt, hat bereits mehrfach für die Business Class der Lufthansa gekocht und erklärt uns, welche Gerichte sich für das Flugzeug eignen und warum unsere Geschmacksnerven in 10.000 Metern Höhe anders reagieren als beispielsweise am Boden in seinem Restaurant „Lohninger“ in Frankfurt.

Herr Lohninger, warum schmeckt uns Essen in der Luft anders als am Boden?

Mario Lohninger: Wissenschaftliche Studien belegen mittlerweile, dass sich der niedrige Luftdruck in großer Höhe und die sehr trockene Luft in der Flugzeugkabine auf die Schleimhäute auswirken. Das hat zur Folge, dass unser Geschmacks- und Geruchssinn stark beeinträchtigt ist. So gesehen lassen sich die Auswirkungen mit denen eines Schnupfens vergleichen. 

Das bedeutet also, dass unser Geschmacks- und Geruchssinn weniger wahrnimmt. Wie kann man hier beim Kochen der Mahlzeiten reagieren? Einfach mehr Salz nehmen? Oder gibt es auch andere Mittel?

M. L.: Mehr Salz ist da natürlich kein Allheilmittel, das wäre für die Passagiere auch einfach sehr ungesund. Man kann nicht jedes Essen grundsätzlich versalzen, um damit dem Geschmacksverlust entgegenzuwirken. Man muss sowohl als Koch als auch als Gast etwas mehr Phantasie mitbringen und sich auf die einzelnen Produkte einlassen. Die haben ja zum Glück ihren ganz eigenen Grundgeschmack, den man nicht mit zusätzlichem Salz oder kräftigen Gewürzen überladen muss. Sind die Produkte frisch und von guter Qualität, schmecken sie auch in größerer Höhe gut und müssen nicht zwangsläufig übermäßig gewürzt werden. 

Die Wahrnehmung mancher Geschmacksnuancen geht also zurück. Welche treten dafür in den Vordergrund? Gibt es Dinge, die im Flugzeug intensiver schmecken?

M. L.: Interessanterweise scheint sich der Geschmackssinn für sauer und bitter in der Höhe nicht zu verändern. Mit der Dosierung von Essig oder Zitronensaft sollte man bei Flugzeugessen also vorsichtig sein, da sich hier die Säure auch mit mehr Süße nur schwer ausgleichen lässt. Zucker nehmen wir im Flugzeug nämlich ähnlich wie Salz sehr viel schwächer wahr. Auch in Bezug auf Wein ist das ein interessanter Punkt: Fruchtige, säurebetonte Weißweine werden in der Luft oft als zu sauer wahrgenommen, während schwere Rotweine im Flugzeug ein angenehm volles Aroma haben.

Welche Gerichte oder Lebensmittel eignen sich überhaupt nicht fürs Flugzeugessen und warum?

M. L.: An Bord sind die Gerichte vorgegart und werden wieder aufgewärmt, insofern ist das Angebot an Lebensmitteln von vornherein relativ eingeschränkt. Für ein herrlich dampfendes Bergheufilet frisch aus dem Ofen sollte man lieber ins Restaurant Lohninger nach Frankfurt kommen. Sehr aufwendige Zubereitungen und punktgenaues Garen sind im Cateringbereich immer schwer in absoluter Perfektion umzusetzen. Wenn man als Koch nicht von Anfang bis Ende die volle Kontrolle über seine Gerichte hat, muss man mit Abstrichen durch langen Transport oder Aufwärmen rechnen.

Worauf haben Sie persönlich geachtet bei der Kreation Ihrer Gerichte für die Lufthansa Business Class – und was durften die Gäste dann genießen?

M. L.: Insgesamt habe ich etwa zehn bis zwölf Gerichte für die Lufthansa kreiert. Hier war mir die Frische der Produkte trotz der erschwerten Umstände sehr wichtig. Deshalb habe ich mich zum Beispiel für kalte Vorspeisen wie Miso-Lachs entschieden, den man schön vorbereiten und gekühlt sehr gut ohne Qualitätsverlust transportieren kann. Außerdem haben sich würzige Eintöpfe wie Chicken Curry oder Gulasch bewährt. Von Zuhause weiß man ja, dass solche Gerichte aufgewärmt sogar noch besser schmecken können. Als Nachtisch gab es dann eine Holunderblütensuppe, die leicht anzurichten und gut vorzubereiten war. 

Auch im Hinblick auf die Zubereitung der Mahlzeiten gibt es einiges zu berücksichtigen. Denn die Gerichte kommen vorgegart an Bord und werden vor dem Servieren nochmals erhitzt. Wie können Sie als Koch sichergehen, dass beispielsweise ein Filetsteak, ein Kabeljau oder die Perlhuhnbrust nicht total vertrocknet auf den Teller kommt? Welche Tricks gibt es da?

M. L.: Man muss natürlich anders kochen als am Boden und sich über Zutaten, deren Haltbarkeit und deren Veränderungen beim Transport und nach dem Wiederaufwärmen Gedanken machen. Zusätzlich muss bedacht werden, wie man alles sicher verpackt und anrichtet, ohne dass die verschiedenen Komponenten ineinander laufen – das ästhetische Ergebnis auf dem Teller sollte auch im Flugzeug stimmen. Produkte, die nur in einem begrenzten Zeitraum ihre Perfektion halten können, wie beispielsweise ein auf den Punkt gebratenes Filet, leben natürlich davon, sofort nach dem Anrichten gegessen zu werden. Im Flugzeug sollte man alternativ besser auf Eintöpfe oder kalte Speisen zurückgreifen.

Was würden Sie den Passagieren im Hinblick auf eine clevere Bestellung bei ihrem Essen im Flugzeug empfehlen? Worauf sollte man achten?

M. L.: Ich persönlich esse lieber vor dem Flug etwas Gutes, dann steige ich satt und zufrieden in den Flieger und kann ganz locker entspannen, Musik hören oder schlafen. Vielleicht liegt es an meinem hohen Qualitätsbewusstsein oder extremen Frische-Fanatismus, dass ich mich von abgepacktem, tiefgekühltem und wieder aufgewärmtem Essen eher distanziere. Ich möchte das Essen im Flugzeug nicht generell als schlecht oder minderwertig verteufeln. So etwas wie ein Sandwich, das einfach vorzubereiten und lange haltbar ist, ist für den kleinen Hunger vollkommen in Ordnung. Schon allein wegen der Geruchsbelästigung und dem unverhältnismäßig großen Aufwand halte ich ein mehrgängiges Menü im Flugzeug nicht unbedingt für notwendig. Auch machen viele Vorschriften rund um Hygiene usw. Essen im Flugzeug zu einer sehr komplizierten und aufwendigen Sache. 

Welches war bisher Ihr persönlich bestes und auch schlechtestes Essen im Flugzeug?

M. L.: Mein kulinarisches Highlight im Flugzeug war ein wirklich wunderbar zubereitetes Lammkotelett. Allerdings wurde es von einem Koch direkt an Bord gekocht und fällt damit nicht unter die herkömmliche Verkostung im Flugzeug. Auch das sehr gute Sushi einer asiatischen Airline ist mir bis heute in positiver Erinnerung geblieben. An mein schlechtestes Essen im Flieger will ich mich lieber nicht mehr erinnern. So ein Erlebnis sollte man einfach ganz schnell wieder vergessen und sich seine Reiseerinnerungen nicht davon verderben lassen.

Wenn Sie persönlich frei auswählen dürften, was wäre Ihr Lieblingsessen an Bord? Was würden Sie sich bestellen auf einem Flug?

M. L.: Mir reicht ein liebevoll belegtes Sandwich oder eine andere kalte Kleinigkeit vollkommen aus, ich brauche kein aufwendiges Essen im Flugzeug. Als kleiner Junge war es für mich schon das Größte, wenn ich an Bord eine eiskalte Cola trinken durfte. Mit solchen kleinen Highlights kann man die meisten Passagieren heute nicht mehr beeindrucken. Es ist definitiv eine große Herausforderung und kein leichter Job, täglich tausende von Passagieren mit Essen zu versorgen und dabei auch noch kulinarisch zu begeistern. Für mich ist es daher purer Luxus, dass ich mich in meinem Restaurant am Boden kreativ voll ausleben kann.

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MARIO LOHNINGER 

Mario Lohninger wurde 1973 in Österreich geboren. Nach seiner Kochausbildung in Salzburg arbeitete er in zahlreichen Nobel-Restaurants auf der ganzen Welt. Darunter im Tantris in München, im Spago Los Angeles, bei Wolfgang Puck in Palo Alto, Kalifornien, sowie in weiteren Restaurants in Paris und New York. Von 2004 bis 2012 war er Patron in den Frankfurter Restaurants Silk und Micro im Cocoon und wurde im Silk mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Seit 2010 ist er Patron in seinem Restaurant Lohninger in Frankfurt. 2011 wählte ihn der Gault-Millau zum Koch des Jahres. Seit 2012 ist Mario Lohninger auch noch Küchendirektor des Restaurant Holbein’s im weltbekannten Städel Museum Frankfurt.

lohninger.de

Picture credits © Getty Images


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