APPLE GEHT IN DEN RING

APPLE GEHT IN DEN RING

Foster & Partner baut neuen Firmensitz in Cupertino 

VON DR. STEFAN POLLAK

(Veröffentlicht in Das Produktkulturmagazin Ausgabe 1 2014)

Als eine der letzten Amtshandlungen hat der wenige Wochen später verstorbene Steve Jobs im Juni 2011 einen aufsehen erregenden Neubau für den Firmensitz im kalifornischen Cupertino angekündigt. Apples Ambition ist es, hier den Vorbild-Arbeitsplatz des 21. Jahrhunderts zu bauen.

13.000 Apple-Mitarbeiter sollen in einem neuen Verwaltungs- und Forschungszentrum unter einem Dach zusammenarbeiten. Davon verspricht sich die Firma ein Arbeitsklima, in dem Kooperation und informeller Gedankenaustausch großgeschrieben werden, um einen fruchtbaren Nährboden für neue Entwicklungen zu bilden. Selbstverständlich soll der neue Firmensitz auch der Corporate Identity dienen und das Unternehmen repräsentieren. Dies haben andere Global Player in der Vergangenheit gern mit immer höheren Turmbauten gemacht.

In Kalifornien wird seit jeher eher flach gebaut, was nicht zuletzt mit der hohen Anfälligkeit für Erdbeben zu tun hat. Horizontale Strukturen verbreiten sich aber auch in Firmenorganisationen immer weiter: Strikte Hierarchien werden bewusst aufgelöst, um effizientere interne Kommunikationsflüsse zu ermöglichen. Dies darf sich auch in der Gebäudestruktur widerspiegeln. Das Hauptgebäude des neuen Apple-Firmensitzes ist demnach als flacher Ring ausgebildet, der frei ins Gelände gesetzt wird.

Als Planer wurde Sir Norman Foster gewonnen, der gemeinsam mit anderen Fachplanern eng mit der Apple-Führungsriege um Jobs zusammengearbeitet hat. Auch hier wurde Wert auf eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe gelegt; also kein konventionelles Verhältnis von Kunde zu Auftragnehmer, sondern eher ein erweitertes Team.

Selbst der Name des Projektes trägt dem Ideal freien Denkens und eher unbekümmerter Zusammenarbeit Rechnung. Der Campus ist der natürliche Lebensraum für kreative Visionäre wie Jobs und das Silicon Valley ist seit jeher der Ort, wo die Grenzen zwischen Universität und innovationsreichen Unternehmen sehr offen sind.

Auf dem Apple-Campus 2, für den das Unternehmen Grundstücke und zum Teil überalterte Gebäude von anderen Firmen aufgekauft hat, finden außer dem Hauptring auch ein Vortrags- und Veranstaltungssaal mit 1.000 Sitzplätzen, ein firmeneigenes Fitnesscenter sowie ein großes Parkhaus und ein Transit-Zentrum Raum. Weitere, kleinere Forschungseinrichtungen sollen in einem zweiten Bauabschnitt hinzukommen.

Das Transit-Zentrum ist als Herzstück des Pendler-Programms gedacht, das Apple schon vor einigen Jahren eingeführt hat. Bequeme Reisebusse holen schon jetzt Mitarbeiter aus den umliegenden Gemeinden aus der gesamten Bay-Area südlich von San Francisco ab. Dieses Angebot soll stark ausgebaut werden. Im neuen Zentrum können diese Busse direkt einfahren und die Mitarbeiter in kurzer Distanz zum Arbeitsplatz absetzen. Ein Drittel der Pendler soll bei Fertigstellung des Zentrums diese alternative Transportmöglichkeit nutzen und auf private PKWs verzichten.

Bis es mit der komplett autofreien Mobilität des Personals soweit ist, bietet der neue Apple-Campus aber auch unterirdische Parkgelegenheiten direkt unter dem Haupthaus sowie ein großzügiges Parkhaus mit fast 6.000 Stellplätzen an. Letzteres ist am Südrand, direkt an einer achtspurigen Stadtautobahn als zweigliedriger Baukörper so platziert, dass es für die dahinter liegenden Gebäude als Sicht- und Lärmschutz dient. Außerdem bietet sein Dach Platz für eine Photovoltaikanlage mit 8 MW Leistung.

Hinter diesem Wall haben die Landschaftsplaner aus Fosters Team ein Grüngefüge entwickelt, das die traditionelle kalifornische Agrarlandschaft in die Stadt zurückbringen soll. Der komplette Abriss zahlreicher bestehender Gebäude, die großenteils in obsoletem Zustand waren, bietet in der Tat die Gelegenheit, wie auf der grünen Wiese zu planen, obwohl sich das Grundstück in gut erschlossener und recht dicht besiedelter Innenstadtlage befindet. Die Verwertung des Abrissmaterials ist selbst Teil des Landschaftskonzepts; die Hügellandschaft wird durch Aufschütten sowie interne Erdverschiebungen erstellt und die Materialfuhren ins und vom Gelände werden auf ein Minimum reduziert. Durch kompakte Baukörper und weitgehenden Verzicht auf offene Parkflächen kann die Bodenversiegelung um über 43 Prozent reduziert werden, was bei einem Gesamtgrundstück von fast 58 Hektar immerhin 19 Hektar neue Versickerungsflächen bedeutet.

Hier sollen über 6.000 neue Bäume gepflanzt werden, die gemeinsam mit den circa 1.000 Exemplaren, die bestehen bleiben oder geländeintern umgepflanzt werden, eine wichtige grüne Lunge für den Nordostsektor von Cupertino bilden. Selbstverständlich sind auch circa 300 Apfelbäume dabei. Bewusst wurden heimische Pflanzensorten gewählt, um den Wasserverbrauch und den Pflegeaufwand möglichst niedrig zu halten und gleichzeitig auch auf dieser Ebene Vertrautheit zu vermitteln.

Mitten in dieser Landschaft soll, wie ein exorbitantes Raumschiff, der neue vierstöckige Rundbau landen. Die Klarheit eines perfekt kreisförmigen Baukörpers in einer ansonsten naturgeprägten Landschaft erinnert an traditionelle Behausungen wie etwa die aus Stampflehm gebauten Tulous im Südosten Chinas. Auch hier vermitteln Form und klares Raumgefüge unmissverständlich ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Bewohner. Wenn auch in Cupertino keine Clans im engen Sinne angesiedelt werden sollen, so ist der Familien-Gedanke in einem Unternehmen wie Apple nicht fremd.

Der Rundbau beherbergt eine Bürolandschaft von nahezu 200.000 qm. Circa 30.000 qm davon sind Laboreinrichtungen. Zusätzlich können einzelne Teams abwechselnd in fast 8.000 qm Besprechungsräumen tagen. Gespeist werden kann in einer etwa 5.500 qm großen Kantine, die direkt an eine Folge von Außenterrassen angeschlossen ist. Sie nimmt einen der acht Kreissektoren ein. Die Geschossgliederung ist hier aufgebrochen, mit Lufträumen von bis zu 12 Metern Höhe.

Das Fitnesscenter nordwestlich des Hauptgebäudes bietet den Mitarbeitern sowohl Einrichtungen für Individualsportarten als auch Räumlichkeiten für Gruppenaktivitäten. Weitere Sportmöglichkeiten bietet die umliegende Landschaft in diesem Sektor des Grundstücks.

Der Eingang zum Campus erfolgt für Mitarbeiter wie Besucher vorwiegend von Osten. Hier ist auch das neue Auditorium, ein Veranstaltungssaal mit tausend Sitzplätzen, angesiedelt, das unterirdisch in die neugestaltete Hügellandschaft eingebettet ist. Dank dieser Einrichtung kann das Unternehmen in Zukunft zu Produktpräsentationen aufs eigene Firmengelände einladen. Der Zugang erfolgt über einen transparenten Pavillon mit einer einladenden Lobby. Eine großformatige Fassade aus gebogenem Glas erlaubt von Grünraum gesäumte Blicke auf das Hauptgebäude. 

Architekten und Landschaftsplaner haben eng zusammengearbeitet. So sind zum Beispiel Teile des Hauptrings von sanften Erdwällen umgeben, die aus der Entfernung betrachtet den Sockelbereich des Gebäudes verstecken und somit den fliegenden Charakter der „Raumfähre“ unterstreichen.

Viel Wert haben die Planer auf das Energiekonzept gelegt. Ambition ist es, Strom und Wärme größtenteils vor Ort zu produzieren. Zusätzlich zur bereits genannten Solaranlage ist hierfür insbesondere eine Brennstoffzellen-Heizzentrale verantwortlich. Zusätzlich soll Strom aus erneuerbaren Quellen zugekauft werden. Ein detailliertes Beleuchtungskonzept, in dem sich Tageslicht und Kunstlicht gegenseitig ergänzen, hilft, ebenso wie die mechanisch unterstützte Lüftung, den Strombedarf zu dämpfen. Auch bei Themen wie Wasserhaushalt und Mülltrennung will der Campus neue Maßstäbe setzen.

Wie bei all seinen Produkten will Apple vor allem beweisen, dass zukunftsorientierte Technologie und Ästhetik harmonieren können. Ein unbeschwertes Arbeitsumfeld, das Werte wie Innovation, Ungezwungenheit und Schönheit widerspiegelt, ist dem Unternehmen dabei mehr wert als der nächsthöchste Turmbau zu Babel.

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DR. STEFAN POLLAK

Dr. Stefan Pollak ist freier Architekt in Rom. Mitbegründer des Teams s.e.l.f.-officina di architettura, für das er Projekte in Europa, Afrika und Lateinamerika durchgeführt hat, sowie der Arbeitsgruppe AK0 – architettura a kilometro zero, in der er für den Bereich Forschung zuständig ist. Er betreibt parallel dazu Lehr- und Forschungstätigkeit für die Universität Roma Tre mit Hauptfokus auf umweltgerechte Bautechniken und kollektive Entwurfsprozesse.

cupertino.org

Picture credits © Cupertino


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