A BETTER WAY TO STAY

A BETTER WAY TO STAY

VON ANJA FAHS
(Veröffentlicht in THE GAZETTE Ausgabe 01 im November 2022)

Das Beste aus Hotel und privatem Apartment

Die Hospitality-Industrie ist im Umbruch. Neue Player drängen mit frischen Konzepten auf den umkämpften Markt der Hotels und Ferienwohnungen. Sie nutzen die Dynamik des Tourismus-Aufbruchs nach der Corona-Krise für neue Ideen und Investmentchancen.

Viele von uns haben wahrscheinlich schon in dem ein oder anderen Airbnb übernachtet und die Vorteile von persönlicher Umgebung kombiniert mit gewissen Annehmlichkeiten genossen: Die Betten sind sauber und frisch bezogen, ein Sammelsurium an bunten Handtüchern liegt bereit, und man füttert gerne auch mal die Katze des Besitzers. Ein neuer Trend stärkt nun diesen Bereich der Dienstleistung und bringt die Gastfreundschaft durch reibungslosen Check-in und aufmerksamem Service wieder mehr in Richtung Hotel-Ambiente – aber ohne dabei den gemütlichen Flair zu verlieren. Unternehmen wie beispielsweise Blueground, Lyrics Hospitality, Landing oder Alfred wollen genau diese Nische besetzen. Sonder ist einer der Vorreiter der sogenannte Hybrid-Unterkünfte. Sie vereinen den persönlichen Touch, das individuelle Design und den günstigen Preis einer Privatunterkunft mit dem Service, der Professionalität und dem modernen Look eines Hotels.

Unbestritten ist, dass es eine veränderte Dynamik im Hotel- und Ferienwohnungsmarkt gibt, die durch die Corona-Krise noch verstärkt wurde. Nicht nur der Erfolg von Airbnb und Wohnungstauschplattformen wie Homelink oder HomeExchange, die seit vielen Jahren erfolgreich am Markt sind, zeigt in den letzten Jahren, dass sich die Nachfrage von Hotels mehr in Richtung persönlicher Unterkünfte verlagert hat. Immer weiter steigende Preise für Hotelzimmer taten das Übrige. Zwar hat die Wohnungskrise in vielen Ländern die Vermietung von Wohnraum für Ferienwohnungen erschwert, aber der Immobilienmarkt und Vermietungen locken nach wie vor als lohnende Investments.

Auch Sonder absolvierte seit seiner Gründung im Jahr 2014 einige Finanzierungsrunden und verstand es, illustre Investoren für sein Konzept zu begeistern, darunter beispielsweise Jeff Bezos, Elon Musk und Baseballspieler Alex Rodriguez. Seine letzte Kapitalrunde konnte das Unternehmen ausgerechnet mitten in der Corona-Krise 2020 erfolgreich abschließen. Als der Reisemarkt komplett zusammenbrach, Hotelbelegungen unter 20 Prozent sanken und 95 Prozent weniger Flüge gebucht wurden, unterzeichnete Sonder einen Deal über 170 Millionen Dollar. „Dank einiger strategisch kluger Entscheidungen sind wir einigermaßen gut durch die Krise gekommen“, sagt Gründer Francis Davidson. „Wir unterzeichnen meist Mietverträge für drei bis fünf Jahre, am liebsten für ein komplettes Stockwerk oder ein ganzes Haus. Die Verträge enthalten Klauseln, die eine Senkung der Mieten vorsehen, wenn die Zeiten schwierig werden.“ Auch Konflikte mit lokalen Unterbringungsvorschriften in manchen Städten sind für Sonder im Gegensatz zu anderen Homesharing-Plattformen kein Problem, denn die Apartments werden entweder als Hotel lizensiert oder sie befinden sich in Gebäuden, die Kurzzeitvermietungen erlauben. „Trotzdem sank in dieser Zeit unsere Belegungsrate von 80 auf 40 Prozent, die Umsätze fielen, und wir mussten einen Teil unserer Belegschaft freistellen. 2.000 Apartments, die nicht sonderlich gut liefen, haben wir abgestoßen und lancierten eine Marketingkampagne, die für verlängerte Aufenthalte zu sehr attraktiven Preisen warb und sehr erfolgreich war. Zudem half, dass unsere Services alle kontaktlos über die App funktionieren, wie beispielsweise der Check-in. Das schätzten die Gäste in der Corona-Krise sehr“, erklärt Francis Davidson.

So ist Sonder heute ein Milliardenunternehmen geworden, das mit über 6.300 mietbaren Units in 40 Städten, zehn Ländern und auf drei Kontinenten vertreten ist. Darunter Apartments in New York, San Diego, Miami, London, Dubai und in vielen Metropolen mehr. Seine Häuser befinden sich immer in den angesagten Vierteln der Stadt, oft im Businessviertel, was sie ideal für Geschäftsreisende macht. Über eine eigene App werden sämtliche Services, wie beispielsweise Restaurantempfehlungen oder Concierge-Dienste, angeboten. Jedes Apartmenthaus hat eine Rezeption, Security, voll ausgestattete Küchen und perfekt funktionierende Technikfeatures mit schnellem Internet. „Sonder bietet einen zuverlässig hohen Standard, auf den sich die Gäste verlassen können“, sagt Laurence Tosi, Gründer der Investmentfirma WestCap Group, die in Sonder investierte. Er ist ehemaliger CFO von Airbnb und kennt den Markt genau. „Sonder Apartments sind cool designt, gut erreichbar, man kann sehr einfach mit nur einem Click buchen, und sie bieten mehr Platz als ein Hotelzimmer.“

Dabei begann alles 2012 mit der simplen Idee eines College-Teenagers im kanadischen Montreal. Francis Davidson studierte an der McGill Universität und wohnte in einer Drei-Zimmer-Wohngemeinschaft. Während der Sommerferien waren seine Mitbewohner verreist, und er untervermietete das Haus. „Im ersten Sommer wollte ich einfach nur Geld sparen“, erzählt Francis Davidson. „Ich rechnete die zu erwartenden Einkünfte durch eine Kurzzeitvermietung gegen die laufenden Kosten und sah, dass ich hier eine Menge Geld machen konnte. Im ersten Sommer verdiente ich 14.000 Dollar, zahlte aber selbst nur 5.000 Dollar Miete.“ In dieser Zeit erlebte die Hospitality-Industrie gerade ihren ersten Umschwung. Airbnb war vor vier Jahren gelauncht worden, und Vermietungs-Plattformen dieser Art wurden immer populärer. Man sah eine Verlagerung der Nachfrage von Hotels mehr in Richtung von Unterkünften mit mehr Flair, die etwas Besonderes boten und Persönlichkeit hatten.

Schon im zweiten Sommer übernahm Francis Davidson auch die Untervermietungen der leeren Häuser von anderen Studenten. Kaum kam sein Business in Schwung, überlegte er sich zusätzliche Services, die den Mietern einen tollen Aufenthalt garantieren würden. „Ich begrüßte die Gäste mit einer Flasche Wein, ich parkte ihre Autos, gab Restaurantempfehlungen oder Sightseeing-Tipps. Ich bot die Aufmerksamkeiten eines Hotels an, die den Aufenthalt bequemer und angenehmer machen.“ Im kommenden Jahr kam sein Freund Lucas Pellan mit an Bord, und das Business expandierte. „Ich schaltete Anzeigen online und wir bauten uns ein Vertriebsnetz auf, indem wir Studenten in anderen Städten für unsere Idee anheuerten und bei ihnen mitverdienten. Schon bald waren wir in zehn Städten aktiv“, erzählt Francis. Es wurde ein durchaus lohnendes Geschäft, denn nach den nächsten drei Jahren erreichten sie bereits einen Umsatz von einer Million Dollar.

Aus einer College-Idee entwickelte sich durch die Zusammenarbeit mit Immobilienfirmen, Maklern, Designern und vor allem IT-Spezialisten, die die Online-Plattform und die Sonder-App entwickelten, in den letzten Jahren ein weltweites Unternehmen. Mit der Corona-Krise hat Sonder seine erste harte Bewährungsprobe bestanden. Jetzt konzentrieren sich Francis Davidson und sein Team darauf, das Line-up an Unterkünften kontinuierlich zu vergrößern, mehr Immobilien anzumieten, um weiter zu wachsen und den Anteil am Online-Booking-Markt auszubauen.

Andere Start-ups wollen sich nicht nur auf Vermietungen beschränken, sondern direkt in den Immobilienmarkt oder sogar in die Bauindustrie einsteigen. Vor allem in den USA, wo sich immer mehr Menschen Wohneigentum nicht mehr leisten können und darum auf den Mietmarkt umsteigen. Jüngstes Beispiel ist die Firma „Flow“ des WeWork-Mitbegründers Adam Neumann. Er will den Mietwohnungsmarkt in den USA revolutionieren und soll laut der New York Times schon mehr als 3.000 Wohnungen in Miami, Fort Lauderdale, Atlanta und Nashville erworben haben. Diese sollen unter einer neuen Marke inklusive Services und Community-Angeboten für ein verstärktes Gemeinschaftsgefühl vermietet werden. Ähnlich einem Franchise-Modell können so Immobilienbesitzer mit Flow zusammenarbeiten.

Flow wurde drei Jahre nach Neumanns Ausstieg beim Co-Working-Unternehmen WeWork und sechs Jahre nach dem Start seines weiteren kurzlebigen Vermietungsgeschäfts namens WeLive gegründet. Dafür bekam er von der Risikokapitalgesellschaft Andreessen Horowitz (a16z) aus dem Silicon Valley 350 Millionen Dollar Investmentkapital. Laut der New York Times wurde das Unternehmen von Neumann dadurch bereits mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet, obwohl es sich noch im sogenannten „Stealth-Modus“ befindet, also weder gestartet ist noch konkrete Informationen zum Businessmodell veröffentlicht hat.

Marc Andreessen nennt in seiner Begründung zum Investment in Flow die Wohnungskrise in den USA. „Ein Dach über dem Kopf ist eines unserer grundlegendsten Bedürfnisse. In einer Welt, in der der begrenzte Zugang zu Wohneigentum nach wie vor eine treibende Kraft hinter Ungleichheit und Angst ist, hat die Vermittlung eines Gefühls von Sicherheit, Gemeinschaft und echtem Eigentum eine transformative Kraft für unsere Gesellschaft. Wenn man sich um die Menschen in ihrem Zuhause kümmert und ihnen ein Gefühl der physischen und finanziellen Sicherheit vermittelt, befähigt man sie, mehr zu tun und etwas aufzubauen. Die Lösung dieses Problems ist der Schlüssel zu mehr Chancen für alle“, sagt er auf der a16z–Website.

Der Investor sieht die demografischen Trends, die den amerikanischen Wohnungsmarkt antreiben, als Grund für die Krise. So werden beispielsweise schneller Haushalte gegründet als Häuser gebaut. Strukturelle Engpässe bei den zum Verkauf stehenden Häusern treiben die Wohnungspreise in die Höhe, während junge Menschen länger Single bleiben und sich zunehmend in den begehrten Stadtzentren konzentrieren. Diese Faktoren üben einen enormen Druck auf die Mieten in den dynamischsten Städten der USA aus. Für Andreessen zählt darum vor allem der geplante Gemeinschaftsaspekt, den Flow in seinem Konzept verfolgt. Denn über Mietwohnungen sagt er: „Es ist eine seelenlose Erfahrung; lernen Sie überhaupt Ihre Nachbarn kennen, geschweige denn, irgendwelche Freunde in Ihrem Komplex? Fühlt es sich wie ein Zuhause an oder ist es nur ein Schlafplatz? Sind Sie stolz darauf, Freunde und Familie zum Besuch einzuladen, oder zögern Sie? Und Sie können jahrzehntelang Miete zahlen und trotzdem kein Eigenkapital besitzen. Es gibt einen Grund, warum die Regierung begonnen hat, Hypotheken für Eigenheime zu subventionieren: Jemand, der sich in seine Wohnung einkauft, kümmert sich auch darum, wo und wie er wohnt. Ohne dies schaffen Wohnungen keine Bindung zwischen Mensch und Ort, und ohne Gemeinschaft keine Bindung zwischen Menschen.“

Genau hier setzt Adam Neumann mit Flow an. Er will Mietwohnungen und Mietern ein besseres Umfeld schaffen. Denn betrachtet man zusätzlich die Auswirkungen der Post-COVID-Welt wird klar, dass viele Menschen weit von ihrem Arbeitsplatz entfernt leben. Homeoffice wird auch nach der Corona-Zeit für viele Unternehmen eine kostensparende Alternative zu teuren, gemieteten Büroflächen sein. Infolgedessen erleben die Arbeitnehmer allein zu Hause viel weniger soziale Bindungen und Freundschaften als im Büro. „Für viele dieser Menschen werden die vermehrte Bildschirmarbeit und der geringere persönliche Kontakt im Homeoffice zu Herausforderungen führen, die sich nicht nur auf die Arbeit beschränken. Hier geht es auch um Entfremdung und Einsamkeit. Dies ist für niemanden ein guter Weg, und es muss jetzt direkt angegangen werden.“ Somit mangele es Adam Neumann nicht an Visionen und Ehrgeiz, wie ihm Marc Andreessen bescheinigt: „Nur Projekte mit solch hochgesteckten Zielen wie Flow haben eine Chance, die Welt zu verändern.“ Ob Adam Neumann, wie angekündigt, mit diesem Geld tatsächlich die gesamte Wertschöpfungskette der Immobilienbranche disruptieren wird, bleibt abzuwarten. Bisher ist zu Flow nicht viel mehr bekannt, als dass sie 2023 auf den Markt kommen wollen.

Auch andere Tech-Giganten sehen Bedarf darin, ihren Mitarbeitern ein besseres Wohn- und Arbeitsumfeld zu bieten. In Zusammenarbeit mit dem globalen Bauträgerriesen Lendlease hat Google angekündigt, eigene Grundstücke im gesamten Silicon Valley in den nächsten 15 Jahren mit rund 15.000 Wohneinheiten zu bebauen. Im Gegensatz zu den meist weitläufigen und autoorientierten Einfamilienhäusern, die einen Großteil des Wohnungsbestands rund um den Google-Hauptsitz ausmachen, würden diese neuen Erschließungen für dichtere, urbane und vielfältigere Wohngebiete in einem der teuersten Märkte des Landes sorgen. Für Google geht dieser Wohnungsbauprozess mit der anhaltenden Expansion des Unternehmens in der Region einher. Neue Büros werden gebaut, um mit der anhaltenden Dominanz des Unternehmens im Technologiesektor Schritt zu halten. Nachdem das Beschäftigungswachstum in der Tech-Branche jahrelang den Wohnungsbau im Silicon Valley bei Weitem übertroffen hat – man denke nur an die Shuttlebusse, mit denen Facebook-Mitarbeiter von ihren Wohnungen in San Francisco zu ihren Büros in Menlo Park gefahren werden –, ist es politisch und strategisch klug, das Wachstum der Büros auch mit dem Bau von Wohnungen zu verbinden.

In die Bauindustrie ist auch Roni Bahar, ein weiterer ehemaliger WeWork-Manager, zusammen mit dem Architekten und BIG-Gründer Bjarke Ingels und Nick Chim, dem ehemaligen Leiter der Google-Tochter Sidewalk Labs, eingestiegen. Mit ihrem Unternehmen „Nabr“, das als „Consumer-first housing company“ beschrieben wird, sollen systemische Mängel im Wohnungsbau behoben und eine Reihe von erschwinglichen, modularen Häusern aus Massivholz gebaut werden. Das Unternehmen, das seinen ersten Wohnblock in San José errichten will, ist davon überzeugt, dass es durch die Einbeziehung von Design, Entwicklung und maßgeschneiderten Finanzierungsmodellen die Art und Weise, wie in den USA Wohnraum geschaffen wird, verändern kann. „Architekten und Designer sind in gewisser Weise die Letzten, die sich mit dem Wohnungsbau befassen, sodass es sehr schwierig ist, Teil einer grundlegenden Transformation der Branche zu sein“, so Star-Architekt Bjarke Ingels. „Dies ist im Grunde ein Versuch, Design nicht nur auf das Endprodukt anzuwenden, sondern auf den gesamten Prozess des Schaffens von Wohnraum.  So verfeinern wir Architektur, um sie als ein Produkt für Verbraucher definieren zu können.“

Die Liste der schillernden Namen aus der Tech-Branche, die sich immer mehr im Immobilien- und Wohnungsbaumarkt engagieren, lässt sich noch weiter fortführen. Beispielsweise hat der frühere Apple-Designchef BJ Siegel ebenfalls ein Unternehmen für Massivholzhäuser namens „Juno“ gegründet und will damit die „Produktisierung der gebauten Umwelt“ erreichen. Die Intentionen und Ziele der unterschiedlichen Ideen sind alle ambitioniert. Welches Konzept am Ende erfolgreich wird, bleibt abzuwarten.

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Picture credit © Sonder


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